"Nichts ist fantastischer als die Wirklichkeit"
 
Federico Fellini

Money Matters - Geldangelegenheiten

Sonderprogramm DOK Leipzig 2010

Geld vereinfacht das Leben. Zumindest der Theorie nach. Die Praxis sieht – nicht erst seit der aktuellen Finanzkrise – anders aus. Kaum jemand versteht noch, was mit dem Geld im globalen Geflecht von Börsen und Banken überhaupt passiert. Die Ökonomie scheint eine Art Naturphänomen geworden zu sein, das jenseits menschlicher Einflüsse stattfindet. Wirtschaftskrisen brechen wie Stürme oder Überschwemmungen über die Welt herein und wirbeln unser Leben durcheinander. Die Aufräumarbeiten nach der Katastrophe und die Suche nach Vorsorgemaßnahmen beanspruchen mehr und mehr Lebenszeit. Ein Ausstieg aus diesem Kreislauf scheint undenkbar, doch auch das Leben in der gegenwärtigen Geldgesellschaft überfordert unsere Fantasie. Wer kann sich schon etwas vorstellen unter den Milliardensummen, mit denen Politik und Wirtschaft jonglieren? Und wer von denen, die mit solchen virtuellen Summen umgehen, kann sich denken, was es heißt, ganz buchstäblich in Armut zu leben.

Wirtschaftskrise und Globalisierung verschärfen die Unterschiede zwischen den Gewinnern und den Verlieren und sorgen gleichzeitig dafür, dass sie buchstäblich Tür an Tür stattfinden. Beides, die Angst um die eigene Existenz, bzw. die Lust am Gewinn rückt das Thema Geld immer mehr in den Fokus des menschlichen Handelns – weltweit, ungeachtet des Kontostandes. Geld wird zum Maß aller Dinge. Ein Maß, dessen undifferenzierte Anwendung das Leben vereinheitlicht.

Schon zur Jahrhundertwende warnte der Philosoph Georg Simmel davor, dass die Herrschaft des Geldes die Welt um etliche Dimensionen berauben werde und dass sich die Mittel-Zweck-Relation in ihr Gegenteil verkehren wird: Das Geld wird vom Mittel zur Bedürfnisbefriedigung zum Bedürfnis selbst. Mit dieser Umkehrung rückt das Gefühl der Befriedigung jedoch in weite Ferne. Denn Geld hat man potentiell nie genug.

In sechs Programmen umkreisen die 23 kurzen und langen Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilme alle nur denkbaren monetären Lebensumstände.

Was passiert eigentlich, wenn wir nur noch ein dickes Minus auf dem Konto haben? Im Programm „Das kannst Du abschreiben!“ geht es um den kreativen Umgang mit Schulden, den leider nicht alle gleichermaßen beherrschen. So mancher versucht dem Loch im Dispo durch die simple Aufnahme eines Kredits zu begegnen. Ein Schritt, der häufig nur einem nutzt: dem Kreditinstitut.

So was kann den Kunden des kleinsten Bank Deutschlands nicht passieren, denn die Bank, um die bei „Schotter wie Heu“ alles dreht, erwirtschaftet als Genossenschaftsbank keinen Profit für sich selbst, sondern nur für ihre Kunden, die gleichzeitig Besitzer der Bank sind. Getreu dem Leitspruch „Einer für alle, alle für einen" werden so große Unterschiede vermieden – zum Wohl aller.

Um diese Unterschiede geht es im Programm „Haben und Nicht-Haben“. Die Filme widmen sich der Frage, in welchem Verhältnis Geld und Glück zueinander stehen. Wie zu erwarten, gibt es hier keine einfachen Gleichungen, denn Glück bemisst sich – glücklicherweise - nicht am Stand des Bankkontos. Spannend wird es da, wo die Armut gar nicht mehr erkennbar ist. Curtis Burz hat diese neue, unsichtbare Form der Armut in den Fokus seines dokumentarischen Essays gestellt und erzählt in „Geschichten aus der Heimat“ ganz nebenbei  auch seine eigene Geschichte.

Im Kurzfilmprogramm „Alles fließt - Der Kreislauf des Geldes“ bewahrheitet sich die alte Weisheit, dass Geld immer in Bewegung sein muss. Die elf Filme beleuchten das Leben mit, gegen und für den Zaster aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.

Lamentieren allein hilft nicht. Wichtig ist es, die Dinge in die Hand zu nehmen und einen anderen Umgang mit Geld zu erproben. In dem Programm „Wirtschaftswunder und andere Alternativen“ wird der Blick frei auf andere Arten des Wirtschaftens, die das Geld nicht zum Zentrum des Lebens machen, sondern es wieder als Mittel zum Zweck definieren.

Abgerundet wird der filmische Ausflug in die Welt des Geldes von zwei Filmen, die auf ganz unterschiedliche Arten versuchen, einen Einblick in die Welt und die Logik der Superreichen zu erhaschen. Eine Welt, die vom „Duft des Geldes“ durchweht wird und in der man sich vor allem auf eins einigen kann „Geld stinkt nicht“. Eine Weisheit, deren Wahrheitsgehalt man nach dem Festival vielleicht ein bisschen anders einschätzen wird als vorher.